Nach Überarbeitung der DIN 4109 „Schallschutz im Hochbau“ und Veröffentlichung im Juli 2016 steht nunmehr noch die bauaufsichtliche Einführung der neuen DIN 4109 aus. Was ist zukünftig bei Bauvorhaben im Hinblick auf öffentlich-rechtliche und auf zivilrechtliche Anforderungen zu beachten?
Alte DIN 4109: Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nahm dieser an, dass die Werte der alten DIN 4109 in der Regel keine anerkannten Regeln der Technik für den Schallschutz im Wohnungsbau darstellten, weil sie lediglich vor unzumutbaren Belästigungen schützen und keinen, üblichen Qualitäts- und Komfortstandard gewährleisten. Im Eigentumswohnungsbau sowie beim Bau von Reihenhäusern mit üblichen bis gehobenen Komfort- und Qualitätsansprüchen musste hiernach der Schallschutz mindestens dem Beiblatt 2 der DIN 4109 entsprechen. Wollte der Auftragnehmer erreichen, dass nur der Mindestschallschutz nach DIN 4109 geschuldet war, musste er den Bauherrn im Vorfeld deutlich auf die Unterschreitung des üblichen Schallschutzstandards hinweisen und ihn über die Folgen einer solchen Bauweise für die Wohnqualität aufklären. Der bloße Hinweis auf die DIN 4109 genügte nicht.
Neue DIN 4109: Zivilrechtliche (vertragsrechtliche) Auswirkungen
Inhaltlich hält die neue DIN 4109 im Bereich des Tritt- und Luftschallschutzes an den bisherigen Anforderungen an den Schallschutz im Wohnungsbau im Wesentlichen fest. Lediglich die Anforderungen an die Trittschalldämmung sowie an die Luftschalldämmung zweischaliger Wohnungs- bzw. Haustrennwände wurden im Vergleich zur alten DIN 4109 verschärft. Folglich weichen die neue DIN 4109 und das Beiblatt 2 auch weiterhin voneinander ab. Als Konsequenz lässt sich für die Zukunft daher folgendes festhalten:
Einfacher und kostengünstiger Wohnungsbau
Soll einfacher und kostengünstiger Wohnraum geschaffen werden, so werden sich die Anforderungen an den Schallschutz nach der neuen DIN 4109 (Fassung 2016) richten. Beispielsfälle für solche Bauten können Wohnungen für sozialschwache Mieter, Studentenwohnheime, Flüchtlingsunterkünfte, etc. sein. Zur Absicherung des Bauunternehmens sollte im Bauvertrag ein entsprechender Hinweis aufgenommen werden, wonach nur der Mindestschallschutz nach DIN 4109 geschuldet ist und dass dieser hinter einer üblichen Ausführung, wie z. B. im normalen Eigentumswohnungsbau, zurückbleibt. Erhält der Bauunternehmer die Vorgaben wie Baubeschreibung, Leistungsverzeichnis, etc. vom Bauherrn, so sollte er im Zweifel Bedenken anmelden, ob der geplante Schallschutz den Anforderungen der Nutzer gerecht wird oder ob nicht ggf. ein erhöhter Schallschutz nach Beiblatt 2 geschuldet ist. Da der Übergang vom einfachen/kostengünstigen Wohnungsbau zum gehobenen Wohnungsbau mitunter fließend ist, kann man seine Haftung nur durch einen Bedenkenhinweis begrenzen oder sogar ausschließen.
Eigentumswohnungsbau mit üblichen Qualitäts- und Komfortstandards
In zahlreichen Urteilen hat der Bundesgerichtshof für den Eigentumswohnungsbau, der üblichen Qualitäts- und Komfortstandards gerecht werden sollte, auf die Anforderungen aus dem Beiblatt 2 abgestellt. Da die neue DIN 4109 nicht in allen Bereichen an die Anforderungen aus dem Beiblatt 2 angepasst wurde, ist für diesen Bereich auch in Zukunft davon auszugehen, dass das Beiblatt 2 zur DIN 4109 ausschlaggebend ist. Wir raten daher, im Eigentumswohnungsbau mit üblichen Qualitäts- und Komfortstandards die Anforderungen aus dem Beiblatt 2 zu erfüllen.
Eigentumswohnungsbau im Luxusbereich
In diesem Segment kann die Einhaltung der Anforderungen aus dem Beiblatt 2 nicht genügen, um die höheren Erwartungen der Erwerber zu erfüllen. Wir raten daher, in diesem Bereich im Vorfeld klare vertragliche Regelungen zu treffen, welchen Schallschutzanforderungen das Objekt genügen soll. Diese können über den Werten des Beiblattes 2 liegen.
Neue DIN 4109: Öffentlich-rechtliche Auswirkungen
Erst mit ihrer Einführung ist die neue DIN 4109 aus öffentlich-rechtlicher Sicht endgültig bindend und sind aus bauordnungsrechtlicher Sicht die dort normierten Anforderungen zur Abwehr von Gefahr für Leben und Gesundheit der Bürger einzuhalten. Durch Erfüllung der Anforderungen der neuen DIN 4109 wird aber auch jetzt bereits dem öffentlichen Recht bzw. dem Bauordnungsrecht Genüge getan.
Laufende Bauvorhaben überprüfen
Bei laufenden Bauvorhaben, insbesondere im Bereich, des Mietwohnungsbaus, sollte der Bauunternehmer in jedem Fall überprüfen bzw. nachfragen, ob die Planung nach der alten DIN 4109 oder bereits nach der neuen DIN 4109 erfolgt ist. Da es im Hinblick auf die Mängelfreiheit immer auf den Zeitpunkt der Abnahme ankommt, sollte bei einer Planung nach der alten DIN 4109 ein Bedenkenhinweis erteilt und auf eine notwendige Anpassung an die Werte der neuen DIN 4109 hingewiesen werden. Wurde das laufende Bauvorhaben bereits nach den Anforderungen des Beiblatts 2 geplant, ergibt sich für den Bauunternehmer kein Handlungsbedarf, da die Werte im Beiblatt 2 unverändert geblieben sind.